Mittwoch, 15. Dezember 2010

Nachhilfe für Sarrazin - Eberhard Straub

Die deutsche Kultur sei weitgehend ohne Bezug auf den Islam entstanden, behauptet jetzt Thilo Sarrazin. Das ist großer Blödsinn, findet Eberhard Straub.


Der Islam gehört zur Geschichte Europas. Denn Europa ist Teil der Alten Welt, in der sich seit Alexander dem Großen, den hellenistischen Königen und römischen Kaisern Europäer, Asiaten und Afrikaner begegnen und ergänzen.
Orient und Okzident hängen seit dreitausend Jahren zusammen und bilden einen gemeinsamen Kulturraum. Daran haben die verschiedenen Religionen nichts geändert.
Sämtliche Religionen des Okzidents kamen aus dem Orient, der Dionysos- oder Mithras-Kult, das Judentum, das Christentum und der Islam. Es gab Zeiten, in denen sich die gesamte Alte Welt hellenisierte oder orientalische Einflüsse vorherrschten.
Gegen Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus war Rom eine orientalische Stadt. Dort tummelten sich Syrer, Juden, Araber und Afrikaner. Ein Freund der alten Götter, der Dichter Juvenal, fühlte sich am Tiber, in den jetzt der Orontes münde, nicht mehr daheim. Syrer, Araber und Afrikaner wurden dennoch bald zu Kaisern. Sie brachten ihre Küche, ihre Moden, ihre Kunst, ihren Geschmack, aber auch ihre Götter, ihre Lebensauffassungen, ihre Literatur mit. Die meisten lateinischen Römer waren nicht so zimperlich wie Juvenal. Ganz im Gegenteil, sie waren neugierig und ließen sich auf ganz unrömische und unklassische Tendenzen ein. Das hatte Folgen bis in die europäische Moderne.
Das Vorbild für den modernen Roman, wie er sich seit dem Don Quijote im 17. Jahrhundert entwickelte, ist Heliodors Abenteuer- und Liebesroman Äthiopica.
Noch der Deutschen liebste Oper, Die Zauberflöte, hängt von dieser Vorlage ab mit den ägyptischen Ritualen um Isis und Osiris, mit den Liebesproben und dem endlichen Liebestriumph Paminas und Taminos. Die Oper weist aber auch auf ein ganz neues Phänomen hin, die Poetisierung und Romantisierung Ägyptens und des Orients überhaupt durch entschiedene Aufklärer.
Die Persischen Briefe des Juristen und Philosophen Charles de Montesquieu werden bis heute gelesen. Die kaiserliche Architektur in Rom, von der wir die großartigsten Überreste haben, die Thermen des Caracalla und die des Diokletian oder die Maxentius-Basilika mit ihren mächtigen überkuppelten Raumkonstruktionen, wurden von Syrern gebaut. Die Ruinen regten Architekten des 16. bis 18. Jahrhunderts an. In den monumentalen Diokletiansthermen, einem orientalischen Bau für römische Zeitvertreibsbedürfnisse, befinden sich eine Kirche, die Michelangelo hineinbaute, und ein Museum für griechisch-römische Kunst. Sie veranschaulichen unmittelbar die Verschränkungen von Orient und Okzident, ohne die das Europa in der Alten Welt gar nicht zu verstehen ist.
Der Islam entwickelte sich im griechisch-römischen, indessen christianisierten Kulturraum.
Antiochia war neben Konstantinopel eine mondäne Weltstadt, bewohnt von sehr raffinierten und eleganten, eben orientalischen Christen. der Islam konnte mühelos triumphieren, weil er nicht fremd war, sondern Vertrautes anders nuanciert vortrug und gar nicht den Ehrgeiz hatte, die Lebens- und Denkgewohnheiten der unterworfenen Völker zu verändern.
Von Bagdad über Palermo bis nach Córdoba und Toledo konnte jeder in Parallelgesellschaften auf seine Art selig und glücklich werden.
Die Araber drängten nicht auf Assimilierung und Konformismus.
Gott hatte ja die Vielfalt zugelassen, auch die Vielfalt im Irrtum, und es wäre nicht sehr gottergeben gewesen, daran etwas zu ändern. Seit dem frühen 8. Jahrhundert werden Spanien, Portugal, dann Sizilien, Teile Unteritaliens, später Bulgarien, Serbien und Ungarn von Mohammedanern durchdrungen, die Araber, Afrikaner, freigelassene slawische Sklaven, ehemalige Christen und schließlich Türken sein konnten. Damit beginnt die lange Geschichte nicht eines Islams im Westen, sondern eines westlichen Islams und einer orientalisierten Lebenskultur der Christen.
Auch wer Christ blieb, wusste doch, dass er einer erheblich feineren Zivilisation angehörte als die Vettern im christlichen Barcelona oder Köln.
Christen hatten keine Scheu vor Mischehen, vor allem wenn sie vornehme Sitten weiter pflegen wollten. Die Araber hielten an dem feinen Anstand fest, der Westgoten von Römern und Syrern beigebracht worden war.

Das arabische Spanien war für die restlichen Europäer ein Zauber- und Wunderland. Die ebenso fromme wie vornehme Roswitha von Gandersheim pries Córdoba als das ornamentum mundi, als Schmuck der Welt.
Paris war damals ein Armenhaus und Rom nur insofern ästhetisch angenehm, als mit Byzanz vertraut, hellenistisch-orientalisch. Das Spanien muslimischer Hofkultur erzog das übrige Europa zu schöner Ritterlichkeit, zu Liebeskult und Minnesang. Es brachte den Barbaren jenseits der Pyrenäen bei, wie man ein Menü zusammenstellt, wie man sich anzieht, schminkt und schmückt. Spanien, Portugal und Sizilien waren mitten in Europa die hohen Schulen der Lebenskunst, zu der nun auch die Kunst der Liebe gehörte. Keiner hat sie im frühen 11. Jahrhundert so geistreich beschrieben wie Ibn Hazm de Córdoba, der Enkel eines ehemaligen Christen, im Halsband der Taube. Er war mit dem gesamten Erbe der Alten Welt vertraut und konnte ihr deshalb mit seinem Traktat ein Geschenk machen, das Mohammedaner wie Christen in gleicher Weise beglückte. Die Ritterlichkeit als Idee bewirkte, dass zumindest in Versepen der Ungläubige ritterlich, also gleichberechtigt behandelt wurde. Wolfram von Eschenbachs Parzival beginnt im Orient mit der Liebe des edlen Gahmuret zur schönen Belakane, einer wohlerzogenen Heidin und Schwarzen. Gute Manieren und schöne Lebensart überwinden alles Trennende, sie versöhnen.
Das herrlichste Beispiel dafür ist der Sultan Saladin, den schon Boccaccio würdigte und dem Lessing noch einmal ein Denkmal setzte. Mit ihm feierten die Europäer den gerechten und großherzigen Monarchen, den religiöse Unterschiede nicht aus der Fassung brachten. Die moderne Idee der Toleranz wurde von Europäern mit einem Sultan verbunden. Auch das gehört zu unserer Geschichte. Im Sinne dieser Idee wurde Toledo, seit 1085 wieder christlich, sogar zum wichtigsten Ort Europas. Christen und Mohammedaner verständigten sich über ihr gemeinsames griechisch-römisches Erbe und hörten zu, wenn Juden sich in ihr Gespräch einmischten. Cervantes folgte solchen Gewohnheiten noch, wenn er sich als Redakteur einer arabischen Geschichte ausgab. Er setzte dem 1609 vertriebenen Mauren Ricote, der, als christlicher Pilger verkleidet, noch einmal durch Kastilien streift, im Don Quijote ein Denkmal: »Wo immer wir sind, weinen wir um Spanien[...]. Wie süß ist die Liebe zum Vaterland«, dem er nicht mehr angehören durfte. Das Vaterland war die Alte Welt. Zu ihm gehört der Islam. Keiner sollte mehr weinen, davon ausgeschlossen zu werden von Integrationsbeauftragten, die sich wie Inquisitoren aufführen und für keine Ruhe sorgen.

Quelle http://www.zeit.de/2010/45/Kultur-Europa-Islam?page=2

5 Kommentare:

  1. 1:0 für Eberhard Straub!!!!

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  2. Eine ungeheure Ansammlung von den Islam romantisierenden Aussagen, die jeglicher historischen Realität entbehren. Herr Straub sollte vielleicht mal ein Geschichtsbuch zur Hand nehmen, in dem es auch Text und nicht nur Glücksbärchi-Bilder hat.

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  3. und du hast voll den Plan oder was?

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  4. Ich habe jedenfalls ein differenzierteres Geschichtsverständnis als eines, in dem muslimische Glücksbärchis über bunte Blumenwiesen tollen und Schmetterlinge fangen.
    Aber wieso erklär ich das überhaupt einer Figur, die gerade mal zu pubertären Einzeilern fähig ist?

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